4. Juni 2011

Bergbauspuren im Westharz [1]


Von der Bleihütte Clausthal zum Medingschacht bei Bad Grund

Wir verlassen Clausthal im Oberharz in westlicher Richtung auf der B 242 (auch: "Harzhochstraße", später: "Hüttenstraße"). Nach kurviger Fahrt in Richtung Bad Grund erreichen wir nach ca. 2 km, wo der Zellbach in die Innerste mündet, das Areal der ehemaligen Bleihütte Clausthal. Von dem großen Gebäudekomplex auf der linken Straßenseite ist nichts mehr zu sehen. Nur zwei Verbotsschilder inmitten eines mit Bauschutt und Schlacke planierten Geländes erinnern heute an den ehemaligen Standort. Nach der Stilllegung der Hütte im Jahre 1967 wurden die Gebäude abgebrochen.
Nur langsam holt sich die Natur das mit Schwermetall kontaminierte Gelände zurück. Vereinzelt brechen kleine Birken und Nadelbäume als Pionierpflanzen durch Asphalt- und Fundamentreste. Andere Bereiche bleiben wohl dauerhaft ohne Bewuchs. Die an der Oberfläche liegenden Schlacke-Reste zeigen keine Mineralisationen.

Abb. 1: Gelände der ehemaligen Bleihütte Clausthal
Abb.2
Die bedrückende Szenerie dieses Geländes im unteren Zellbachtal wird verstärkt durch die großen  Pochsand-, Pochschlämme- und Schlackehalden auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die nur unvollständig mit einem Gemisch aus Bauschutt, Straßenschotter und Erdboden abgedeckt sind.
Nachdem die Umgebung der ehemaligen Bleihütte durch hohe Schwefeloxid-Emissionen beim Rösten sulfidischer Erze über Jahrhunderte stark geschädigt wurde, regeneriert sich die abgestorbene Vegetation sehr langsam. Nur kleine Bereiche sind mit Heidekrautgewächsen bedeckt, die während der Blütezeit wenigstens für einen schönen Anblick sorgen. Jetzt, im Frühjahr, ist von der Pracht nichts zu sehen. Vieles ist kahl, vertrocknet, abgestorben (vgl. Abb. 3 und 4).

Schon von weitem mahnen die kahlen Hänge zur Vorsicht und signalisieren "Komm' mir nicht zu nahe". Auch die Pochsand- und Pochschlämmehalden sind stark mit Schwermetallen, besonders mit den Elementen Arsen, Blei, Cadmium, Thallium, Zink u.a. kontaminiert; sie werden besonders bei Starkregenereignissen in das vorbeifließende Flüsschen Innerste gespült und sind noch in Bremerhaven nachweisbar. Weitere Informationen hier.

Abb. 3: Pochsandhalden an der B 242
Abb. 4
Diese Überreste des Oberharzer Bergbaus setzen sich sehr eindrucksvoll in Szene und sind nicht zu übersehen. Andere verstecken sich unscheinbar im Unterholz: Teile des Oberharzer Wasserregals. Nur sehr selten zeigen sie sich so offen wie in Abb. 5, fotografiert ca. 300 m straßenaufwärts vor dem ehemaligen Hüttengelände. Viel häufiger sind die künstlichen Gräben an den Berghängen mit Schutt und Erde verfüllt, zugewuchert, einem langgestreckten Pflanzenkübel gleich. Vereinzelt zeigen nur die kahlen Grabenmauerkronen den ungefähren Verlauf im Gelände an (siehe Abb. 6).
Leider werden nicht alle Anlagen des Oberharzer Wasserregals – z.B. hier die Abschnitte des "Haus Braunschweiger Grabens" und des "Oberen Hüttengrabens"  - von den Harzwasserwerken gepflegt. Sie stehen zwar unter Schutz, werden aber dem stetigen Zerfall preisgegeben.

Abb. 5: Reste des "Oberen Hüttengrabens" zwischen Ambihaus
und ehem. Clausthaler Bleihütte
Abb. 6: Verfüllter Graben (Verlauf von der Ecke rechts unten in die
Bildmitte nach oben)

Abb. 7: Fehlschlag zur Innerste. Links das Hauptgerinne mit folgendem, unterirdischem Verlauf (für ca. 7 Meter); im Vordergrund rechts der Stahlrahmen des Schiebers (oder Dammbalkens)


Ca. 900 m weiter  in Richtung Bad Grund sieht man links der Straße das kleine, aber auffällige Fördergerüst des Medingschachtes in Silbernaal (Abb. 8 bis 10).


Abb. 8: Ehemalige Tagesanlagen am Medingschacht
Abb. 9: Kopf des Fördergerüstes

Das äußerst filigrane Stahlbauwerk gehörte zur ehemaligen Grube Bergwerkswohlfahrt der gleichnamigen Gewerkschaft. Hier, auf dem östlichen Silbernaaler Gangzug wurde der Richtschacht 1829 bis 1832 ca. 520 m abgeteuft.
Nach Durchschlag zweier Strecken zu den benachbarten Gruben und Abteufen des neuen Wiemannbucht Schacht verlagerten sich die Abbau- und Aufbereitungsaktivitäten zusehends nach Bad Grund im Westen. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Medingschacht, benannt nach dem Berghauptmann und hannoverschen Minister F. A. von Meding (1765–1849), entbehrlich, da auch die Vorräte erschöpft waren. Der Schacht wurde ab 1967 verfüllt.

Erhalten bzw. sichtbar sind bis heute auch weitere, teilweise sehr alte Gebäude in unmittelbarer Nähe des stählernen Fördergerüstes. Die auf einem Privatgrundstück liegenden Tagesanlagen stehen weder unter Denkmalschutz noch werden sie aktiv museal-touristisch genutzt, so dass sie leider weiter zerfallen. Nur das auf der Straßenseite gegenüber liegende, ehemalige Silbernaaler Zechenhaus wird als Vereinshaus des "Kraftzwerg e.V." instandgehalten.
Die Fördermaschine steht heute im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum; sie war einst die erste elektrische Fördermaschine im Harzer Bergbau.

Abb. 10: Bald mit Farbklecksen übersäht?
In den letzten Wochen ging die Absicht eines Hannoveraner Unternehmers durch die lokale Presse, das Gelände am Medingschacht aufkaufen zu wollen, um dort eine Funsportstätte für das umstrittene Paintball-Spiel zu errichten. Auch wenn die Samtgemeinde Oberharz und der Landkreis Goslar diesen Plänen im Vorfeld eine klare Absage erteilt hat, sind die Pläne noch nicht vom Tisch. Im Gespräch ist, das Gelände im Innerstetal nicht mehr kaufen, sondern vom Eigentümer zu mieten.
Setzen sich die Investoren durch, dann ist davon auszugehen, dass der Zerfall der Tagesanlagen stark beschleunigt wird. Nutzen Sie also die Gelegenheit, diese schöne Relikte aus dem Oberharzer Bergbau noch ziemlich originär, wenn auch sehr marode, zu besichtigen.

Weitere Informationen finden Sie in der aktuell 3. Auflage des empfehlenswerten Buches "Historischer Bergbau im Harz. Kurzführer" von Wilfried Liessmann, im Springer-Verlag von 2010.


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